Sonntagsgedanken 04-06-2023 – Vom „F“ und vom „P.H.“

Es war eine gute Idee, vor einigen Jahren die deutsche Rechtschreibung zu reformieren. Leider blieb dies ziemlich inkonsequent. Das überflüssige „ß“ hätte man locker endlich loswerden können, aber so plagen wir uns heute noch am Computer damit herum, und die weltweit einmalige Großschreibung von Substantiven hat man auch beibehalten. Deutsch soll wohl nach einer besonderen Dichter-und-Denker-Sprache aussehen.

Interessant ist auch die Geschichte der Schreibweise Prophet, aus dem zunächst, völlig logisch, ein Profet werden sollte, wie auch aus der Phantasie die Fantasie wurde. Dem Protest dagegen gab man aber bald nach. Eine Zeit lang waren beide Schreibweisen möglich, nun aber gibt es laut Duden den Mann Gottes nur noch mit „ph“, während die Fantasie ihre gebildet daherkommende Ph-Schwester als „alternative Schreibweise“ dulden muss, die allerdings nicht empfohlen wird.

Meine Empfehlung hätte aber auch im anderen Fall gelautet, auf die neue normale Schreibweise „Profet“ zu bestehen. Die Bibel schildert die Gottesmänner wie Amos oder Jesaja nämlich als ganz normale Menschen, die zwar einen besonderen Auftrag spüren, aber genauso fehlbar und schwach wie wir alle sind. Und umgekehrt kann jeder zum Profeten werden – wenn er zum Beispiel die Liebe Gottes verkündet, indem er sich gegen Nazi-Sprüche bei einer Feier wehrt, wenn sie trotz schlechter Schulnoten des Sohnes dabei bleibt, dass dies nicht das Wichtigste im Leben ist, wenn jemand Gutes sagt und tut, als sei es selbstverständlich, so selbstverständlich, wie aus dem ph ein f wurde.

Predigttext am Sonntag, 4. Juni 2023, ist Jesaja 6, 1-13.

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Sonntagsgedanken 28-05-2023 – Liebesgefühle

Dass der Geist Gottes in und für uns wirkt, ist zunächst einmal nur eine Behauptung, die wir an Pfingsten feiern. Aber dann und wann, in den wirklich bedeutsamen Momenten unseres Lebens, kann man diesen Geist tatsächlich spüren: Es ist vielleicht der Moment, wenn man im Kreißsaal sitzt und sein neugeborenes Kind im Arm hält. Oder der Moment, wenn der freudige Brief da ist, auf den man so lange gewartet hat. Oder die Stunde, in der wir einem anderen Menschen ganz nahe fühlen und alles um uns herum vergessen. Oder der kurze Augenblick, wenn etwas, woran wir lange gearbeitet haben, endlich fertig ist.

Momente, in denen wir Transzendenz spüren, in denen wir die Grenzen der Welt und unseres Denkvermögens überschreiten. Was sich uns dort offenbar ist allerdings nichts, was man behalten kann. Wir haben den Geist Gottes nicht, sondern bekommen nur dann und wann eine Begegnung mit ihm geschenkt, und wenn wir klug sind, ziehen wir einen Schluss daraus: Man kann den Verheißungen Gottes trauen, dem Gefühl „für das Unendliche“, das uns ins Herz flüstert: „Du bist gehalten, du bist geliebt!“

Predigttext am Pfingstfest, 28. Mai 2023, ist 1. Korinther 2, 12-16.

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Sonntagsgedanken 21-05-2023 – Ich glaube das

„Ich habe eine Begegnung gehabt. Ich kann sie nicht einmal beweisen, doch ich spüre sie mit allem was ich bin. Wir sind verbunden mit etwas Höherem – und wir sind nicht allein. Keine Sekunde.“

Haben Sie so etwas auch schon mal empfunden: Damals im Krankenhaus als Sie inmitten aller Bedrohung gespürt haben: Das geht gut? Oder als Sie mit Sorgen in der Kirche saßen und plötzlich das Gefühl hatten, hier sind Sie umgeben von Ewigkeit und Sie spüren plötzlich Ruhe und Kraft?

So wie Samuel in der Bibel, der spürt: Gott will etwas von ihm.

Das Zitat stammt aus dem Film Contact, in dem eine Wissenschaftlerin im Rahmen einer äußerlich gescheiterten Raumfahrtmission eine Begegnung dieser besonderen Art hat: Die Gewissheit zu spüren, dass alles ganz anders ist, alles ist geborgen, gedacht, gehalten und voller Sinn.

Manche halten das für Illusion – das kann man so sehen. Delusion – Irrsinn -, wie es militante Atheisten nennen, ist diese Begegnung aber nicht. Glaube kann man nicht beweisen und nicht machen, man kann ihn nur spüren: Als „Ergriffenheit von dem, was uns unbedingt angeht“, als „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ – oder manchmal auch nur ganz lapidar als Gewissheit, dass Liebe und Güte richtig sind.

Predigttext am Sonntag, 21. Mai 2023, ist 1.Sam. 3, 1-10

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Sonntagsgedanken 14-05-2023 – Beten für andere

Auch wenn manche das etwas verschämt nicht an die große Glocke hängen: Für andere zu beten ist eine schöne Sache und kommt viel häufiger vor, als man vielleicht denkt. Das Gebet für die Tochter, die ein Kind erwartet, das Stoßgebet für den Ehemann, der beruflich mit dem Auto so weit fahren muss, die an Gott gerichtete Bitte, dass es der lieben Freundin doch bald wieder besser gehe.

70 Prozent aller Menschen sagen, dass sie beten. Das sind deutlich mehr, als an einen personhaften Gott glauben oder in der Kirche sind. Beten ist offenbar etwas zutiefst menschliches. Im Gebet redet unser Herz, und dann ist es egal, ob uns passende Worte einfallen oder nur Spuren von Gedanken durch den Kopf gehen.

Wer seine Gebete für andere nicht an die große Glocke hängt, tut übrigens ganz das, was Jesus empfohlen hat: Zuhause in aller Stille zu beten. Was wir beten geht ja niemanden etwas an – außer Gott.

Predigttext am Sonntag, 14. Mai 2023, ist 1.Timotheus 2, 1-6a.

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Sonntagsgedanken 07-05-2023 – Music was my first love

Musik ist wohl so etwas wie Teil meiner Lebensgeschichte. Vielleicht geht es ihnen auch so. Dabei spiele ich nicht mal ein Instrument. Aber es gibt Musik und Lieder, die irgendwie ein Teil von mir sind. Das ist mir letztes Jahr bewusst geworden, als ich umgezogen bin und meine alten LPs weggegeben habe. Mein erste Platte, die ich mir gekauft hatte, war ein Sampler. Darauf „Long Time Gone“ von Crosby, Stills, Nash & Young. Ja, lange ist es her. Und bestimmt war ich nicht der einzige, der damals in seinem Jugendzimmer saß und den melancholisch Texten von Simon&Garfunkel lauschte. „Bridge over troubled water“. Und erst die Lieder über Liebe und ihre Komplikationen. Die Gefühle, die einen damals umgetrieben haben, und die Musik dazu?

Was fällt Ihnen da ein? Heavy Metal, um mal so wichtig rauszubrüllen? Punk, und das ganze Elende der Welt? Oder Abba, mit den Träumen von Klarheit und Liebe? Tröstlich fand ich immer die Jungs, die sich nicht unterkriegen lassen. So wie Bob Dylan, der seine Fans immer wieder verstörte.

Musik kann nicht nur trösten, sondern auch befreien. Neue Gefühle, neue Gedanken kann man in Liedern finden. Und das Wissen, dass es viele andere gibt, denen es mit ihren Gefühlen ebenso geht. Sonst würden sie ja nicht die gleiche Musik hören.

Am Sonntag wird in der Kirche über den alten König Saul gepredigt, der in Schwermut versinkt. Bis ihn schließlich die Musik des jungen David aus dem finsteren Loch holt.

Predigttext am Sonntag, 7. Mai 2023, ist 1.Samuel 16, 14 bis 23.

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Sonntagsgedanken 28-04-2023 – Spüren, dass ich lebe

„Das Leben ist kein Ponyhof“, heißt es in der schwäbischen TV-Serie „Die Kirche bleibt im Dorf“ immer wieder, und hinter dem witzigen Bild stecken bei vielen Menschen persönliche bittere Erfahrungen: Erzwungene Abschiede, belastende Sorgen, Probleme, die nicht vergehen. Dass „Traurigkeit in Freude verwandelt“ werden wird, klingt da wie Hohn. Die Probleme bleiben doch, das wissen wir nur zu gut.

Was sich aber verändern kann, ist die Art, wie wir unsere Probleme erleben. Ein Mann, dem plötzlich die halbe Welt zusammenbrach, brachte das mir gegenüber auf den Punkt: „Sch…., das alles; aber ich spüre endlich mal wieder, dass ich lebe.“

Und vielleicht auch, wie wertvoll das Leben ist: jeder Tag, jeder geliebte Mensch, jede gute Tat. Dass Zweifel und Hoffnung, Freud und Leid zusammengehören, ist schwer zu akzeptieren. Niemand sollte uns das verübeln. Das Leben ist kein Ponyhof – aber es ist eben auch kein finsteres Loch. Das Leben ist ein Weg, der mal über blühende Wiesen aufwärts geht und manchmal durch finstere Täler führt. Ich setze jeden Tag dabei einen Fuß vor den anderen und spüren: Es ist mein Leben. Welch ein Glück, dass ich es bekommen habe!

Der Predigttext am Sonntag, 30. April 2023, ist aus dem Johannesevangelium, Kapitel 16, die Verse 16-23a

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Sonntagsgedanken 23-04-2023 – Angeber mag niemand

Arrogante Typen mag niemand. Seltsam nur, dass sie immer wieder damit durchkommen. Über den Mann mit Goldkettchen, der seinen lauten Sportwagen auf dem Gehweg vor dem Lieblingsitaliener parkt, mag man den Kopf schütteln. Seinen Stammplatz und prompte Bedienung bekommt er trotzdem.

Vielleicht liegt das daran, dass hochmütige Menschen eine unerschütterliche Souveränität ausstrahlen, die mir zum Beispiel abgeht. Ohne Selbstzweifel ist eben manches einfacher. Oder doch nicht? Wie eingangs geschildert, fehlt den Hochmütigen etwas Wichtiges: Man mag sie nicht.

Die Unsicheren („demütig“ nennt man sie kaum noch) dagegen können damit rechnen, dass man gnädig mit ihnen umgeht, oder sollten jedenfalls damit rechnen können. Manches können wir gut, aber in manchem sind wir schwach und machen Fehler, und wer das weiß, fährt besser – auch in einem Sportwagen.

Predigttext am Sonntag, 23. April 2023, ist 1.Petrusbrief 5, 1-5

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Sonntagsgedanken 16-04-2023 – Nächtliche Dämonen

„Und welche Dämonen verfolgen dich in der Nacht?“ fragt der Attentäter den Polizisten, der ihn jagt. Und trifft damit einen Punkt. In dem Klassiker „In The Line of Fire“ bringt die Erinnerung an eigenes Versagen Clint Eastwood um den Schlaf. Vielleicht kennen Sie auch solche nächtlichen Gedanken, Dämonen, Alpträume, die einen verfolgen. Kämpfe, die in uns selbst stattfinden.

Keiner will das, wie gerne würden wir in Ruhe schlafen, aber die Vergangenheit holt uns ein.

Wie Jakob, der am Fluss Jabok eine ganze Nacht gegen einen Unbekannten kämpft. Kämpft er gegen seine Schuld, den Diebstahl und Betrug, den er begangen hat? Jedenfalls lässt es ihn nicht los. 

Bis am Morgen die Sonne aufgeht und der Unbekannte fliehen will. Da hält Jakob ihn: ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! 

Vielleicht ist das die richtige Art, mit unseren nächtlichen Gedanken umzugehen. Nicht immer im Kreise drehen, nicht immer zu verdrängen versuchen – sondern sie festzuhalten und aus ihnen das zu gewinnen, was uns von ihnen befreit: Lehren für unser Leben, Segen für das, was möglich ist und kommt.

Predigttext am Sonntag, 16. April 2023, ist Genesis 32, 23-32.

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Ostergedanken 09-04-2023 – Auferstehung

„Wenn sie an die Ewigkeit glauben, ist Ihr Leben hier auf Erden unbedeutend“, meint TV-Arzt Dr. House gegenüber einer schwer traumatisierten Patientin. Glauben ist für ihn Weltflucht, der Glaube an die Auferstehung allemal. Doch die Patientin hält dagegen: „Wenn sie nicht an die Ewigkeit glauben, ist das was Sie tun unbedeutend.“

Genau darum geht es in der Auferstehung. Es ist der Glaube, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern die Aufhebung der Endlichkeit in die Ewigkeit. Wenn es diese Ewigkeit mit und für uns nicht gibt, ist tatsächlich alles unbedeutend, was wir in unserem endlichen Leben sind oder tun.

Ganz prägnant habe ich das von einer Person gehört, die ein Kind verloren hatte und dann meinte: Bisher habe ich nicht an den Himmel geglaubt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meinen Sohn nicht wiedersehe.

Vielleicht bringt uns das Ostern nahe: Zu spüren, dass wir uns ein Leben ohne Auferstehung nicht vorstellen können und nicht vorstellen möchten.

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Sonntagsgedanken 02-04-2023 – Leidenszeit

Dass Menschen leiden, braucht uns niemand zu erzählen. Lebensbedrohliche Krankheiten, tödliche Unfälle, seelische Nöte sind allgegenwärtig. Wir müssen uns nur umschauen, wenn wir nicht gar, Gott bewahre!, selbst davon betroffen sind.

Ist Leiden nun ein Zeichen, dass man Pech hatte, versagt hat oder einem einfach die Götter nicht wohlgesonnen sind?

Mir hilft keiner dieser Gedanken, sondern nur der christliche: Dass wir Gott gerade in den dunklen Stunden nahe sind und gehalten werden, wo wir nicht mehr weiter wissen.

Nach der Karwoche wird Ostern kommen – wunderbar!

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