Sonntagsgedanken 06-11-2022 – Hinter’m Horizont

Hinterm Horizont geht’s weiter heißt die Ballade, die Udo Lindenberg einer 1986 früh verstorbenen Freundin geschrieben hat. Jenseits dessen, was wir sehen und erleben können, gibt es, so die Hoffnung, eine andere, bessere Welt, ohne Leid und Trauer und Tod. In der Physik benutzt man interessanterweise ein ähnliches Bild, das vom Ereignishorizont („Event horizon“), einer Grenze im Raum-Zeit-Kontinuum, hinter der für uns im Hier und Heute nichts mehr erfahrbar ist.

Ist dort Gottes Reich? Im Jenseits? Dort wohin nur Poesie und kosmologische Modelle führen? Der Gedanke ist verführerisch, eine gedankliche Verbindung dazu herzustellen, aber Jesus holt uns auf den Boden unserer Welt zurück: Das Reich Gottes ist mitten unter uns. Es ist dort wo Liebe und Hoffnung herrschen, wo Menschen frei und geborgen sind. Es ist hier und jetzt.

Alles andere ist Spekulation, so dass für das Jenseits nur Bilder bleiben –  und die Hoffnung, dass alle Vergänglichkeit von einem unvergänglichen Grund gehalten und gewürdigt wird.

Predigttext am Sonntag, 6. November 2022, ist Lukasevangelium 17, 20-24.

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Sonntagsgedanken 30-10-2022 – „Die Freiheit hat uns nicht im Stich gelassen“

Wäre das nicht herrlich, keine Angst zu haben, keine Angst vor dem Versagen und keine Angst vor dem Urteil anderer, keine Angst vor den eigenen Grenzen und keine Angst vor dem Ewigen? Dann kann man sich wirklich frei fühlen.

Die Reformatoren von Martin Luther bis zu denen in Schottland und der Schweiz haben die Freiheit ins Zentrum ihrer Überlegungen gestellt. Und ihnen war klar, dass Freiheit auch eine Herausforderung ist. Wer frei ist, kann nicht mehr andere für das eigene Leben verantwortlich machen, sondern ist selbst verantwortlich.

Aber es lohnt sich, die Freiheit zu schätzen. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat in seiner Autobiographie darauf aufmerksam gemacht und geschrieben: „Wir haben die Freiheit ersehnt, sie hat uns angeschaut, wir sind aufgebrochen und sie hat uns nicht im Stich gelassen.“

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Sonntagsgedanken 23-10-2022 – Entschuldigung mal bitte!

Einer verletzt einen anderen, durch Worte oder Verhalten und sagt dann: „Ich entschuldige mich.“ Ach ja? Da hat sich aber eine seltsame Redewendung bei uns eingebürgert. Man kann sich nicht selbst entschuldigen. das wäre ja wie Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Sagen kann man höchstens: Ich bereue, was ich getan habe. Oder weniger dramatisch: Das tut mir leid.

Entschuldigen kann immer nur ein anderer das, was einer ihm angetan hat. Und niemanden kann ihn dazu zwingen. Manches kann man nicht entschuldigen, man kann es höchstens immer mehr vergessen. Der „Schuldige“ hat dann ein Problem, wenn ihm niemand vergibt und er sich selbst ja auch nicht entschuldigen kann.

In der Bibel ist die Rede davon, dass Gott allein solch große Schuld vergeben kann. Ich finde das den besseren Begriff: Gott entschuldigt nichts, die böse Tat bleibt böse und das entstandene Leid wird ernst genommen. Aber Gott vergibt Schuld, er trennt Tat und Täter.

Schwierige Gedanken zu einer populären Geschichte, über die am Sonntag gepredigt wird.

Predigttext am Sonntag, 23. Oktober 2022, ist Markus 2, 1-12, von der Heilung eines Gelähmten.

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Sonntagsgedanken 16-10-2022 – Weltflucht ist keine Tugend

Weltflucht ist keine christliche Tugend, weder der Rückzug aus der Welt, noch der fanatische Kampf gegen sie. Gerade religiöser Fanatismus ist in der Regel nichts anderes als pure Ignoranz, und wer als Christ leben will, muss die Menschen zunächst verstehen wollen und ihnen dann in Liebe begegnen.

Wenn sich der Predigttext des kommenden Sonntags also gegen das Wein-Saufen richtet, können wir Unterländer beruhigt sein. Es geht nicht gegen Genuss und Gemütlichkeit, sondern dagegen, sich in Besinnungs- und Gedankenlosigkeit zu flüchten.

Wir sollen hier und heute leben, den anderen sein und eine fünf auch mal gerade sein lassen, und wenn wir das mit einem Achtel Lemberger in der Hand tun, ist das OK, ein Becher Kaffee oder ein Glas Cola dürfen’s aber auch sein.

Predigttext am Sonntag, 16. Oktober 2022, ist Epheserbrief 5, 15-21.

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Sonntagsgedanken 09-10-2022 – Furcht vor dem Menschen

Man glaubt es nicht, aber wir müssen in Deutschland tatsächlich wieder über den Judenhass reden, den der Mob auf der Straße ebenso verbreitet wie die Künstlerkollektive, die auf der Dokumenta den Judenhass gepredigt haben und wozu die Verantwortlichen geschwiegen haben. 

Uns Christen muss das besonders weh tun. Nicht nur, weil es sogar kirchliche Einrichtungen gibt, die in dieses Horn blasen, sondern weil der Antisemitismus immer auch ein Kampf gegen das Christentum ist. Wer Juden verfolgt, beginnt irgendwann auch einmal, Christen zu verfolgen.

Woher diese offenbar unausrottbare geistige Seuche des Antisemitismus kommt? Jean-Paul Sartre hat dazu etwas interessantes gesagt. „Der Antisemitismus ist die Furcht vor dem Menschsein.“ Es ist die Furcht vor dem Menschsein, wie es Judentum und daraus auch das Christentum entwachsen sehen: Wir sind fehlbare Wesen, auf Liebe und Gnade angewiesen und haben einen Maßstab für unser Zusammenleben bekommen: „Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst!“ (3.Mose 19,18b und Markus 12,31)

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat deshalb erst jüngst den Antisemitismus als Gotteslästerung bezeichnet. Am Sonntag wird darüber zu predigen sein, dass Israel Licht und Heil für die Welt ist.

Predigttext am Sonntag, 9. Oktober 2022, ist Jesaja 49, 1-6

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Sonntagsgedanken 02-10-2022 – Erntedank

Wie schnell man doch vergisst! 

Bang hat man auf das Ergebnis beim Arzt gewartet, ängstlich an die Zukunft der Firma gedacht, sorgenvoll die Krise in der Partnerschaft erlitten. Und im Jahr darauf ist schon fast vergessen, dass Krankheit kuriert ist, der Arbeitsplatz gesichert und dass man wieder viele glückliche Momente in der Ehe erlebt.

Dass wir das Gute als selbstverständlich nehmen, ist zunächst oft weniger das Problem, als dass wir die Momente der Bedrohung so schnell vergessen. Das sind ja häufig die Situationen, in denen wir merken, dass wir leben und dass wir ein gutes Leben haben wollen und bereit sind, darum zu ringen. Das sind die Situationen, in denen wir etwas lernen können; vor allem den Unterschied zwischen dem, was im Leben wichtig ist, und was nur so dazugehört oder nicht. Streit um Nachbars Apfelbaum lohnt nicht, Ringen um ein erfülltes Leben schon.

Um zu erkennen, was im eigenen Leben wichtig ist, gehört wohl auch das Bewusstsein, dass man das Glück in seinem Leben letztlich nicht selbst geschaffen hat, sondern geschenkt bekommt, als Leben, als Liebe und als Erfahrung.

Das könnte dieses Jahr der Erntedank sein: Im Herzen Gott Danke zu sagen für das Gute in unserem Leben – und unseren Liebsten zu danken für alle Liebe.

Predigttext zu Erntedank in diesem Jahr ist Mose 8,7–18

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Sonntagsgedanken 25-09-2022 – Make it to a better place

Das Leben könnte so einfach sein, wenn Menschen nicht so ehrenkäsig, streitlustig und neidisch wären. 

Das stimmt – nicht nur, weil es der Apostel Paulus sagt. „Wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“ Die Sätze, über die am kommenden Sonntag gepredigt werden soll, erklären sich wie von selbst. „Was der Mensch sät, wird er ernten.“ Stimmt das? Kommt man nicht besser durchs Leben, wenn man es auch mal auf Kosten anderer führt?

„Ein jeder prüfe sein eigenes Werk.“ Vielleicht ist das der entscheidende Gedanke. Die Welt wird zu einem besseren Ort, wenn wir die Fehler bei uns sehen und nicht immer nur auf die anderen zeigen.

Finden Sie nicht auch, dass die christliche Ethik einfach und einfach plausibel ist?

Ich jedenfalls glaube das.

Der Predigttext am Sonntag, 25. September 2022, ist aus Galaterbrief 5,25 bis 6,10

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Sonntagsgedanken 18-09-2022 – Selbstverständlich ist nichts

Im Nachhinein scheint es oft selbstverständlich, dass das Blatt sich zum Guten gewendet hat. Der Junge hat doch noch die Schule geschafft. Der Befund beim Arzt war doch harmlos und die Firmenchefs konnten die Pleite doch noch abwenden, so dass der eigene Arbeitsplatz erhalten bleibt.
Manchmal merkt man allerdings in der Erleichterung mehr: So muss sich Erlösung anfühlen, wenn einem Lasten von den Schulter genommen werden und Steine vom Herzen fallen.
Dafür dem Ewigen zu danken, dass wir im Zeitlichen bestehen, ist allemal des Nachdenkens wert. Dass wir leben, ist nicht selbstverständlich. Und dass unser Leben sinnvoll sein kann, auch nicht.
Es tut gut, dafür zu danken.

Dafür, dass wir sind, und für das, was wir können und haben. Dafür, dass wir leben.

Selbstverständlich ist das nicht.

Der Predigttext am Sonntag ist mehr als ein frommes, altes Lied…

Predigttext am Sonntag, 18. September 2022 ist Jesaja 12, 1-6, „Das Danklied der Erlösten“.

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Sonntagsgedanken 11-09-2022 – Merkblatt zum Helfen

Man soll dem helfen, der Hilfe braucht.

Das ist das erste, was man aus der Geschichte vom barmherzigen Samariter lernen kann. Sie kennen sie vielleicht. Ein Mann liegt verletzt am Straßenrand – und ein Fremder, der vorbeikommt hilft ihm. 

Ich habe noch drei weitere Dinge auf meinem Merkblatt zum Helfen:

Also:

Erstens: Man soll dem helfen, der Hilfe braucht.

Zweitens: Dass man nicht allen helfen kann, spielt keine Rolle: Man soll tun, was man kann. Mehr ist nicht verlangt.

Drittens: Geld ist eine gute Sache. Und schön ist es, wenn man mehr als genug hat, um wie der Barmherzige Samariter Helfer zu finanzieren.

Und Viertens: Bei Hilfe geht es nicht um Moralisieren und Besserwisserei, sondern darum, es selbst zu tun. Was die anderen machen, ist deren Sache.

Predigttext am Sonntag, 11. September 2022, ist Lukas 10, 25-37.

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Sonntagsgedanken 04-09-2022 – Von wegen Midlife-Krise

Es ist alles geregelt, alles in festen Bahnen und kaum noch Chancen auf Veränderung. Damit hat man die midlife crisis erklärt, in die Männer ab 40 geraten, wenn sie spüren, dass in ihrem Leben inzwischen das meiste festgelegt ist und die Änderungsmöglichkeiten gering geworden sind. Diese Krise in der Lebensmitte gebe es aber gar nicht mehr, las ich kürzlich, weil auch Männer über 40 heute noch genügend Veränderung erfahren – als Väter und im Beruf, wo nichts mehr auf Lebenszeit sicher ist.

Das gegenteilige Schicksal erwischt zwar auch nicht jeden, aber doch immer mehr: Dass sich das Leben auf einen Schlag ändert. Plötzlich muss man sich konkrete Gedanken um die Kinder und die eigenen alten Eltern machen; plötzlich sitzt man selbst nervös auf dem Krankenhausgang und wartet auf einen Befund; plötzlich geht es mit der Firma bergab oder man findet eine bessere Stelle in einer anderen Stadt – und, recht häufig, plötzlich ist es mit der Ehe oder Partnerschaft zu Ende und man muss für sich einen neuen Anfang finden.

Plötzlich kann alles ganz anders sein. Im Nachhinein erscheint einem, wie dem Apostel Paulus, das, was vorher war, vielleicht sogar als falsch oder fade. Das muss aber nicht sein und es ist gewiss wichtiger, voraus zu blicken, als am Vergangenen zu kleben. Den Blick voraus erlebt der Apostel Paulus als Verheißung: Vor einem liegen die Möglichkeiten, es anders und besser zu machen, neue Ziele und neue Kraft zu finden.

Predigttext am Sonntag, 4. September 2022, ist Apostelgeschichte 9, 1-20.

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