„Im Wein ist Wahrheit“, sagt man, aber ich habe mit solch einer Weisheit zunächst meine Probleme. Ein guter Lemberger ist eine feine Sache, und in der Sonne kann man bei einem Glas kühlen Weisswein gut zur Ruhe kommen. Auf der anderen Seite finde ich das große Elend und Leid, dass der Alkoholkonsum Menschen in unserer Gesellschaft zufügt – Alkoholkranken und deren Familien, Verkehrstoten – so fürchterlich, dass mir keines der üblichen Sauflieder über die Lippen geht.
Tacitus, dem wir die Verbreitung des Zitats verdanken, hat damit eine Beobachtung im alten Germanien verdeutlicht: Unsere Vorfahren würden ihre Ratssitzungen nur betrunken abhalten, weil man betrunken nicht lügen könne. Um Saufen bis zur Bewusstlosigkeit kann es also nicht gegangen sein, sondern darum, sich nicht mehr verstellen zu können.
Da ist etwas wahres dran. Und vielleicht ist der Weinbau deshalb so besonders mit Kultur und menschengemäßem Genuss verbunden. In jedem Fall ist er eine der ältesten Kulturleistungen des Menschen. Der Prophet Jesaja nimmt es als Bild für die Liebe, mit der man sich um andere sorgt. Leider geht das im Predigttext für den Sonntag schief. Aber bei Jesus ist der liebevolle Weinanbau ein Bild für Leben, das wächst und gelingt. Darauf möchte ich anstoßen – mit einem Zehntel Chardonnay und nur nach 20 Uhr und nur, wenn alle Anwesenden auch mitmachen können.
Predigttext am Sonntag, 28. Februar 2021, ist Jesaja 5, 1-7
Pfarrer Treiber predigt sonntags um 10 Uhr in der Matthäuskirche Heilbronn-Sontheim.