Sonntagsgedanken 20-03-2022 – Das Gefühl: Es reicht!

Liebe Gemeinde,
„Ich hab genug, ich kann nicht mehr!“ – Nach zwei Jahren Pandemie und nun angesichts nackter Gewalt, die Russland über Europa gebracht hat, mag das mancher sagen.
Und manche sagen das aufgrund von dem, was ihnen persönlich passiert ist und passiert.
„Ich hab genug, ich kann nicht mehr!“ –
So lautet in der Bibel das Bekenntnis eines Menschen, der wenige Tage zuvor noch eindrucksvoll gestritten hat.
Mit aller Kraft und seiner ganzen Person hatte der Prophet Elia sich für den wahren Gott Israels eingesetzt – und dann wurde er von der Königin verfolgt und in die Wüste gejagt.
Elia hat schreckliche Angst.
Er rennt um sein Leben.
Ihn verlässt alle Hoffnung, alle Glaubensgewissheit und Zuversicht.
Er verliert seinen Lebensmut.
Erschöpft legt er sich unter einen Wacholderstrauch nieder und betet:
„Ich bin allein übrig geblieben; sie wollen mich umbringen. Es ist genug, so nimm nun, Gott, meine Seele.“
Elia gibt auf.
Er sieht nur noch Widerstände.
Er möchte schlafen, sterben und nie wieder aufwachen.
Diess Gefühl „Es ist genug!“ verbindet viele unter uns mit Elia.
„Ich kann nicht mehr!“
Dieses Gefühl kommt in Krankheit und Leid.
Es kommt, wenn wir überlastet sind, durch Beruf und familiäre Situation.
Wenn andere uns zur Plage werden
und wenn wir selbst unsere Grenzen nicht mehr akzeptieren können.
Die Welt wird zur Wüste.

Und dann wird sie wieder grün.
Elia schläft ein und ihm begegnet ein Engel. Er stellt ihm Essen und Trinken hin, wird erzählt.
Plötzlich gewinnt man wieder Kraft. Steht auf.
Weil man einem Engel begegnet ist.
Der muss keine Flügel haben und kann einem auch am hellichten Tag begegnen.
Andere Menschen werden uns zu Engeln.
Die freundliche Begegnung auf der Straße – die einem den Tag rettet.
Die nette Nachbarin, die einen aus dem Finsteren aufweckt – und es vielleicht nicht einmal merkt, was sie da Gutes tut.
Der Helfer auf der Straße, der einen wieder an die Menschheit glauben lässt, wie man so sagt.
Wer Engeln begegnen möchte, wird sie entdecken. Alle paar Tage….
Wir leben durch menschliche Beziehungen und von menschlichen Beziehungen.
Als Engel begegnen uns unsere Mitmenschen immer wieder.

Aber in vielen Bereichen des Lebens ist das immer wieder bedroht.
Immer wieder führt uns das Leben in die Wüste.
Manchmal sehen wir sie nur – wie beim Blick in die Ukraine,
Und manche erleben diese Wüste, wie die Menschen in der Ukraine, deren Städte von Putin zur Wüste zerbombt werden. Und manchmal ist die ganze Welt eine Wüste, überall da, wo gekämpft und getötet wird.
Welche Engel gibt es da?
Gewiss unzählige, hoffentlich, einzelne, die einzelnen helfen.
In Berlin haben sich so viele Freiwillige für den Dienst am Bahnhof gemeldet, um ankommenden Flüchtlinge zu helfen.
Bei uns, weiter im Westen Deutschlands, gibt es hoffentlich viele, die für die geflüchteten Ukrainern Wohnung und Arbeit haben.
Engel ist da ein großes Wort, scheint mir, aber Gottes Bote ist jeder, der hilft.
Im ganz persönlichen Leben gilt das natürlich auch.
Manchmal kommt ein Punkt, wo es nicht mehr geht.
Wo man Zeit für sich und Beistand von anderen braucht.
Elie Wiesel hat dazu einmal geschrieben:
„Kein Mensch hat die Mittel, die Nacht zu bekämpfen, wenn er in seinem Kampf nicht Mitmenschen zu Hilfe ruft.“
Die Klage aus der Bibel: „Es ist genug. Ich kann nicht mehr!“ war ein Hilferuf.
Nun hat der Prophet Elia diese Hilfe gefunden, ein Engel ist zu ihm gekommen.
Und Elia zieht seine Straße fröhlich.
Das ist die Hoffnung dieser Geschichte für unser Leben.
Gott holt zurück aus der Verzweiflung, indem ein Engel uns anrührt.
Wir müssen nur darauf achten, dass wir die Berührung auch spüren.
Man spürt sie im Guten, das unser Herz umgreift,
in der Liebe anderer Menschen,
im Tor, das sich plötzlich auftut,
im Licht, das plötzlich scheint.

Und in der Zuneigung anderer Menschen, die uns hält.
Und noch eine zweite Verheißung hängt damit zusammen.
Gott macht uns zu Engeln, zu Boten seiner Liebe, zu Menschen, die andere anrühren können und damit neues Leben verheißen mögen.
In diesem Sinne sind auch wir auf einem weiten Weg durch unser Leben, ein Weg zu uns, zu den anderen, zu Gott.
Gottes sende uns Engel. Er gebe uns die Kraft, unser Leben zu meistern und anderen in den Nöten ihres Lebens beizustehen.

Seien Sie behütet!

Predigttext am Sonntag, 20. März 2022, ist 1.Könige 19, 1-8.

Über mtreiber

Matthias Treiber ist Pfarrer und Journalist. Matthias Treiber is a minister in the Lutheran Church of Wuerttemberg and journalist.
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