Jesus nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. (Matthäus 17, 1+2)
In der Erinnerung verklärt sich manches, sagt man. Das Mädchen damals vor 40 Jahren auf der Fete im Partykeller – so verguckt hatte ich mich in sie, dass ich mich kaum noch erinnere, wie sie wirklich ausgesehen hat. In meinen Augen jedenfalls muss sie wunderschön gewesen sein. Da ich kein Foto von ihr habe und nicht mal mehr ihren Namen weiß, ließe sich, selbst wenn man wollte, die Vorstellung an der Wirklichkeit nicht überprüfen. Haben solche Erinnerungen also noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun? Fürs Kino würde man die Partyszene jedenfalls mit einem starken Weichzeichner im Gegenlicht aufnehmen und kräftig aufhellen, bis man kaum noch etwas klar sieht.
Bei Spielfilmen über Jesus hat man das getan: Auf dem Berge steht Christus in hellem Licht und davor knien geblendet und verschattet Petrus, Jakobus und Johannes. Das zeigt: Die göttliche Sphäre können selbst die Muster-Jünger nicht betreten, denn überirdisch ist das Ganze, nicht von dieser Welt.
Als alles vorbei war, haben die Jünger vermutlich die Anweisung Jesu befolgt und von der Verklärung ihres Meisters nichts erzählt. Erst nach der Auferstehung schilderten sie ihre Erlebnisse: das helle Licht, in das Jesus gehüllt war, die Stimme, die ihn zum Sohn Gottes erklärte. Was damals auf dem hohen Berg verwirrend war, schien nun klar zu sein.
Aber ist es das wirklich? Verklärung ist ein seltsames Wort. Sie scheint eine Sache doch gerade unklarer zu machen. Was zuvor ein Mensch mit Fleisch und Blut, mit Licht und Schatten ist, erscheint nun als leuchtende Gestalt, die sich weder berühren noch betrachten lässt. Eindrucksvoll, gewiss, aber was erkennt man, wenn alles in hellem Schein liegt?
Man erkennt, dass man Gott begegnet. Von dem Theologen Eberhard Jüngel stammt das Bild, dass Gott verborgen sei im Licht seines eigenen Seins. Erkennen können wir da nichts, schon gar nicht das, was uns an Gott fremd und rätselhaft ist. Wir sehen nur blendendes Licht. Gott lässt sich eben nicht betrachten. Man wird sich auf sein Wort verlassen müssen, dass er er für uns da und Jesus sein Sohn ist. In ihm ist Gott für uns sichtbar, nicht im blendenden Licht der Ewigkeit. Das Licht zeigt nur, dass Gott da ist, aber nicht, wie er ist.
So bleibt die Verklärung zum Glück nur eine kurze Episode, ein Moment, in dem aber mit einem Mal alles klarer wird. Das Ewige ist zu spüren, aber danach richtet sich der Blick wieder in die Welt und auf uns selbst darin. Nun sieht man, wie das Leben zu verstehen ist und wie man leben soll: Fürchtet euch nicht! wird zu den Jüngern gesagt, fürchtet euch nicht vor Gott. Denn in Jesus steht er wirklich sichtbar vor Augen, als Mensch aus Fleisch und Blut, als Lehrer und Freund. Und wer vor Gott keine Furcht hat, braucht sich auch vor Menschen nicht fürchten.
Die himmlische Spähre können wir nicht betreten, meist scheint sie uns unendlich fern zu sein. Wir leben unser Leben, mal zuversichtlich und glücklich, mal bedrückt und mutlos. Im schlechten Fall scheint alles trübe zu sein, im besten Fall zeigt uns der Himmel die Welt in klaren Farben.
Dann und wann aber berührt uns etwas aus der himmlische Sphäre, spüren wir etwas jenseits der Klarheit unseres Blicks und der Berechnung unseres Verstandes: Wenn bei aller Unsicherheit auf dem Krankenhausflur uns eine innere Stimme versichert: Hab keine Angst! Wenn in allen Sorgen um unsere Kinder, Vertrauen sich einstellt: Lass sie machen, sie werden ihren Weg finden! Und eben auch, wenn einem unsicheren jungen Mann wie uns damals auf der Party ein Mädchen zulächelt und er plötzlich weiß, dass er jemand ist, interessant und liebenswert. Oder sehen wir das in der Erinnerung zu verklärt?
Das mag sein, 40 Jahre sind eine lange Zeit, aber wichtig ist nur, was diese Berührung mit der Ewigkeit in uns bewirken kann. Sie macht unser Leben reich und erfüllt. Sie gibt uns Mut zum Leben und Gelassenheit in allem Tun. Sie schenkt uns Glaube, Liebe und Hoffnung.
Predigttext am Sonntag, 25. Januar 2015 ist Matthäus 17, 1-9.