4. Advent: Maria bringt Gnade zur Welt

W.motiv5-1„Wie die Jungfrau zum Kind“, lautete die Antwort meines Lieblingslehrers auf die Frage, wie er dazu gekommen sei, Vertrauenslehrer zu werden. Erst später habe ich den tiefen Sinn dieser oft als flapsig daherkommenden Antwort verstanden. Manche Aufgaben kommen einfach auf einen zu und man muss sie machen. Und ein häufige Erfahrung dabei ist: Man macht sie auch gut!

Maria wird es wohl so ergangen sein. So wenig wir tatsächlich über dieses Mädchen aus Nazareth wissen – sie dürfte kaum älter als 15 Jahre gewesen sein –  so eindrucksvoll ist die Geschichte, die von ihr erzählt wird. Doch jung, weiblich und aus der Provinz, was soll da schon Wichtiges herkommen?

Vielleicht liegt in diesem Vorbehalt der Grund, warum die einfachen Menschen Maria so verehrten. Sie trauten keinem einflussreichen Mann, der eine Religion einführt wie Karl der Große in Sachsen, sie wollten keine oft selbstgefälligen Philosophen, die sich von den Machthabern aushalten ließen wie Seneca. Und zu arm war ihnen eine Religion, in der nur Männer das Sagen haben.

Dabei geht es bei dem, was geschieht, um die größte Geschichte aller Zeiten, wie es einmal etwas pathetisch genannt wurde. Es geht um die Geschichte, wie Gott Mensch wurde, wie das Ewige zeitlich wird, wie der Sinn in die sinnlose Welt kommt, wie die Erlösung sich der Not und dem Leiden entgegenstellt.

Am Anfang dieser Geschichte von der Rettung der Menschen durch Gott steht diese junge Frau aus Nazareth. Als erste erfährt sie, wer ihr Sohn sein wird: Der Sohn Gottes, der wahre Mensch. Der Mensch, wie er sein soll, ist ihr Kind.

Mutter dieses wahren Menschen sein und ihn erziehen? Ein seltsamer Gedanke, der – außer vielleicht in dem Skandalbild von Max Ernst „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen – sonst kaum angesprochen wird. Maria hat Jesus zur Welt gebracht. Aber hat sie ihn auch erzogen und wenn ja, wie? Nur mit Liebe – oder auch mit Hausarrest? Oder musste man Jesus gar nicht erziehen? Die Gedanken befremden, weil sie in der Theologie kaum bedacht wurden und in ihrer Konkretion vermutlich als zu weltlich gelten.

Dabei steht doch gerade Maria für die Weltlichkeit Gottes. Gott offenbart sich in einem Menschen, der von ihr geboren, umsorgt und erzogen wurde. Später hatte er großen Ärger mit seiner Familie, seinen Geschwistern und auch seiner Mutter, die ihm bescheinigten, den Verstand verloren zu haben (Markus 3,21).

Doch jetzt ist noch alles offen. Maria ist von Gott erwählt, aber sie muss erst lernen, dieser Erwählung auch zu vertrauen. Offenbarung braucht einen Menschen, der bereit ist, sich gegen alle Vernunft darauf einzulassen: „Siehe, ich bin des Herrn Magd. Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Das ist das Beispielhafte an Maria, dass sie bereit ist, sich auf das Wort Gottes einzulassen und diesem Wort zu vertrauen. Ihre Antwort an Gabriel, den Boten Gottes, ist alles andere als die typisch demütige Haltung, in welche über Jahrhunderte hinweg vor allem Frauen durch den Glauben gedrängt worden sind. Es ist vielmehr eine mutige Antwort, denn sie ist voller Risiken. „Ja“ zu ihrem eigenen Sohn zu sagen, ist ihr nicht immer leicht gefallen. Dennoch hat sie den Weg bejaht, auf den sie sich gerufen wusste.

So wird Maria auch für uns evangelische Christen zu einem Beispiel des Glaubens. Glauben heißt, dem Wort Gottes zuzutrauen, dass es Neues bewirkt. Darauf zu trauen, dass Gott unser Leben halten und leiten will.

Zu glauben, dass vor dem Ewigen nicht Ansehen und Leistung zählt, sondern allein das Vertrauen in Gottes Wort – auch wenn wir es nicht immer verstehen.

Zu hoffen, dass Gottes Erlösung Wirklichkeit wird – auch in unserer Welt mit ihren Nöten und ihrem Elend.

Zu lieben – einfach deshalb, weil es immer richtig ist.

Gnade haben auch wir bei Gott gefunden. Maria hat sie zur Welt gebracht.

Predigttext am 4. Advent, 18. Dezember 2016, ist Lukas-Evangelium 1, 26-38.

Pfarrer Treiber predigt sonntags um 10:00 Uhr in der Matthäuskirche in Heilbronn-Sontheim.

Über mtreiber

Matthias Treiber ist Pfarrer und Journalist. Matthias Treiber is a minister in the Lutheran Church of Wuerttemberg and journalist.
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