
Sünder und Begnadeter zugleich (Foto: Treiber)
Wer Martin Luther feiert, darf seine Fehler nicht verschweigen. Er hat Großartiges geleistet und einen ganzen Kontinent verändert, er viele Menschen zu einem neuen, lebendigen Glauben motiviert – und er ist fürchterlichen Irrtümern erlegen. Seine Hetze gegen die Bauern im Bauernkrieg war schrecklich, seine Äußerungen über die Finanzwirtschaft dumm und geprägt von einer unerträglichen Judenfeindschaft.
Ihn deswegen moralisch zu verurteilen, halte ich dennoch für unangebracht. Für seine Dummheiten kann er nichts, vieles lag damals jenseits seines Horizonts. Und seine anderen, klugen Sätze, sein Mut und und sein Streben, das Leben für alle christlich und besser zu gestalten, werden dadurch nicht weniger wert.
Luther hatte zwei Seiten wie alle Menschen. Deswegen – auch dies eine kluge Erkenntnis Luthers – verzichten wir Evangelischen auf Heiligenverehrung. Moralisch und theologisch ist jeder Mensch Sünder und Begnadeter zugleich. Und jeder hat seine eigenen, engen Grenzen, ganz wie Luther uns in den letzten Worten hinterließ, die er am Tag vor seinem Tod geschrieben hat: „Wir sind Bettler. Das ist wahr.“
Predigttext am Sonntag, 20. August 2017, ist Johannes 2, 13-22. An diesem Tag erinnert die Kirche mit dem „Israelsonntag“ an die durch sie mitzuverantwortende Verfolgung der Juden.
Pfarrer Treiber predigt jeden Sonntag um 10 Uhr in der Matthäuskirche Heilbronn-Sontheim.