Sonntagsgedanken 17-01-2021 Wasser in Wein

Die Witze über die Hochzeit zu Kana sind Legion. Jesus verwandelt Wasser in Wein, wir Schmalspurnachfolger schaffen höchstens das Gegenteil, scherzt man, aber damit ist tatsächlich der Kern der Erzählung getroffen, dass Jesus aus dem Gewöhnlichen das Besondere macht.

Seine Liebe wandelt banales Wasser in allerbesten Wein. Aus fragwürdigem Leben wird eine erfüllte Existenz. Aus dem Aussätzigen wird ein Gesunder und aus der ausgestossenen Ehebrecherin eine selbstbewusste Frau. Der Gauner Zachäus wird zum Wohltäter und der Feigling Petrus zum Märtyrer der Kirche. Dabei verwandelt Jesu Liebe Menschen nicht nur in den Augen der anderen, sondern auch in den eigenen. Glaube will Zufriedenheit und Gelassenheit vermitteln und Angst und Unsicherheit nehmen.

Vielleicht zeigt sich darin die unbändige Stärke des christlichen Glaubens, dass das für möglich gehalten wird: Liebe macht uns zu anderen Menschen.

John Newton, der Kapitän eines Sklavenschiffs, geriet 1748 in schwere Seenot und rief zu Gott um Erbarmen. Nach seiner Rettung trat er für die Bekämpfung der Sklaverei ein und schrieb „Amazing Grace“ über die wunderbare Gnade, die sich zeigt, wenn ein Sklavenhändler zum Befreier wird.

Oder – ein paar Nummern kleiner – der junge Mann, der mir auf der Straße hinterher rief: „Kennen Sie mich noch?“ Natürlich, vor ein paar Jahren hat er nicht nur mich im Unterricht zur Verzweiflung gebracht. Faul war er und schmiss eine Klassenstufe nach der nächsten. Und nun? „Ich bin KFZ-Mechatroniker.“ Da hat der liebe Gott uns Lehrern viel Geduld geschenkt, fiel mir ein, und Wasser in Wein verwandelt.

Liebe macht uns zu anderen Menschen, auch die Liebe zu uns selbst. Wie schön ist es, wenn man sich selbst morgens im Spiegel in die Augen schauen kann. Nicht weil man so toll und gut ist, sondern weil man sich angenommen weiß von Gott, mit Fehlern und Macken, und mit der Aufforderung im Ohr, aus der Liebe Gottes die Liebe zu sich selbst und anderen wachsen zu lassen.

Der Rahmen der Erzählung ist dabei so alltäglich wie nur irgend etwas, eine Dorfhochzeit, eine Diskussion mit der Mutter und ein Fehler bei der Berechnung des Wein-Bedarfs. Was das mit Religion zu tun hat? Nun, so viel wie das Leben mit dem Glauben zu tun hat.

Das erste Zeichen Jesu gilt den Jüngern. Sie sollen verstehen, dass der Glaube nicht aus dem Alltagsleben hinaus, sondern in die Welt hineinführt, dass es mit Jesus nicht in die Wüste, sondern ins pralle Leben geht.

Dorthin, wo uns andere begegnen mit ihren großen und kleinen Problemen, wo wir die großen Sorgen der Kranken ebenso sehen wie das Unglück der Jugendlichen, die zur Zeit nicht verreisen können, wo uns die Wohnungsnot der Armen ebenso berührt wie die selbstverschuldete Einsamkeit der unerträglichen Nachbarin.

Jesus verwandelt jede Fragwürdigkeit des Lebens in eine hoffnungsvolle Existenz. Den guten Wein gibt es zum Schluss. Grund zur Freude ist das allemal. Mit Wein, Musik und Tanz – und mit allem Glauben, aller Hoffnung und aller Liebe, die unser Leben besser machen.

Predigttext am Sonntag, 17. Januar 2021, ist Johannes 2, 1-11.

Über mtreiber

Matthias Treiber ist Pfarrer und Journalist. Matthias Treiber is a minister in the Lutheran Church of Wuerttemberg and journalist.
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