Sonntagsgedanken 24-01-2021 Wo du hingehst

„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.“ Diesen zentralen Satz des heutigen Bibelwortes kennt jeder. Unzählige Male ist er bei Hochzeiten zitiert worden. Zwei, die gemeinsam durchs Leben gehen wollen, sagen das.

In der Bibel sind das zwei Frauen. Rut sagt das zu ihrer Schwiegermutter Noomi. Die beiden hatte es schwer getroffen. Ihre Familie hatten sie verloren. Noomi wollte deshalb zurück in ihr altes Heimatland, wo Rut noch nie war. Der Weg ist beschwerlich, gefährlich und für Rut ungewiss, was sie dort erwartet. Dennoch bleiben sie beieinander: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.“

Wir sind zusammen unterwegs. Wir Menschen. Wir brauchen die Gemeinschaft mit anderen, manche mehr, manche weniger. Aber immer haben wir andere, die uns durch unser Leben begleiten, Familie und Freunde, Nachbarn und Kollegen, – und manchmal sind wir auch nur mit dem unterwegs, was andere uns vorher gegeben haben, die Eltern, die uns geprägt, die Lehrer, die uns gebildet haben.

In diesen Tagen brauchen wir die Gemeinschaft mehr denn je; Leute zum Reden; Leute die einen unterstützen; Leute die einem Mut machen; vielleicht auch Leute, die einem zeigen, wie man dem Corona-Lockdown Positives abgewinnen kann. 

Vor ein paar Tagen hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, wie freundlich zu ihr doch alle seien, jetzt, wo sie beim Einkaufen manchmal Hilfe braucht. 

Andere stehen unter Dauerstress. Wir haben ja viel von unserer Autonomie verloren. Wir sind davon abhängig, dass andere ihre Maske im Bus auflassen, dass uns keiner zu nahe kommt, dass Verantwortliche für Schulunterricht und Impfungen uns das Leben nicht schwerer machen als es ohnehin ist.

In unserer modernen Gesellschaft sind wir dauernd auf andere angewiesen. Sonst hätten wir kein Essen und keine Heizung, keinen Schutz und keine ärztliche Hilfe. Wir könnten schlichtweg ohne andere nicht überleben.

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Das ist unser Schicksal.

Gott sei Dank! möchte ich sagen. Gott sei Dank, dass wir andere Menschen haben, die für uns da sind. Die genialen Gentechniker, die einen Impfstoff in so kurzer Zeit entwickeln, und die Polizisten, die die Spannungen in unserer Gesellschaft de-eskalieren, die Jüngeren, die für uns Opfer bringen und die, die wir jederzeit anrufen können.

Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft mag zur Zeit gefährdet sein, aber er ist immer noch so groß wie nie in der Menschheitsgeschichte. Das verbindet uns in Europa und der Welt: Die gemeinsame Überzeugung, dass wir füreinander einstehen müssen, dass alle Menschen gleiche Grundrechte haben, dass jeder das unveräußerliche Recht auf Leben, Freiheit und sein persönliches Streben nach seinem Lebensglück hat.

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Dahinter steht meist auch eine gemeinsame Überzeugung, ein verbindender Glaube. „Dein Gott ist mein Gott“, heißt das in der Bibel.

Glaube und Vertrauen verbinden. Die Liebe verbindet; die Liebe, die, wie es im ersten Johannesbrief heißt, Gott ist.

Deswegen gilt das „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen“ vor allem für unser Leben in der Familie – egal wie es sich darstellt. Wenn ich meine Konfirmanden frage, zu wem sie am meisten Vertrauen haben, kommt immer an erste Stelle: Meine Familie. 

Natürlich gibt es da auch Spannungen und manchmal sogar zermürbenden Streit, schlimme Erfahrungen und unheilbare Brüche. Es gibt Eltern, die ihren Kindern nicht gut tun, und Familienmitglieder, die sich absetzen.

Aber für die meisten gilt, so hat mir mal jemand gesagt: Wenn es hart auf hart geht, ist es vor allem die Familie, die da ist und hilft. Bei Krankheit und Alter, in Krisen und Nöten.

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.

In schweren Tagen ist dies auch ein Versprechen Gottes. Gott geht mit uns unsere Wege, das hat sich in Jesus gezeigt. Gott ging mit Jesus die Wege durch Galiläa und den Weg ans Kreuz. Gott geht mit uns auch Wege, die kein anderer mit uns gehen kann.

Das klingt Ihnen vielleicht zu theologisch, aber es kann auch sehr real werden. 

Gerade in diesen Tagen fühlen sich viele alleine mit ihren Problemen:

Die ältere Frau, die kaum noch aus dem Haus kann. Gewiss kaufen die Nachbarn für sie. Gewiss rufen die Verwandten uns Bekannten an. Aber dann gibt es doch die vielen Stunden alleine zuhause, wo nichts einen von zermürbenden Gedanken abhält.

Viele Alleinerziehende führen in diesen Zeiten einen geradezu heldenhaften Kampf. Die Kinder zuhause und dann soll man sie auch noch beim online-Schulunterricht betreuen. Fünf Dinge gleichzeitig sind zu tun. Da bleibt nicht viel Zeit für andere, befreiende Gespräche.

Und gar nicht vorstellen mag ich mir die Nöte der Menschen auf den Covid-19 Stationen in den Krankenhäusern. Die Ängste, dass es noch schlimmer wird oder dass das Schlimme nicht weggeht. Die Angst keine Luft zu kriegen, die Einsamkeit ohne Besuche.

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen, sagt Gott.

Wir sind zusammen auf unserem Weg – wir Kinder Gottes zusammen mit dem Gott, der die Liebe ist.

Predigttext am Sonntag, 24. Januar 2021 ist Ruth 1, 1-19a.

Über mtreiber

Matthias Treiber ist Pfarrer und Journalist. Matthias Treiber is a minister in the Lutheran Church of Wuerttemberg and journalist.
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