Sonntagsgedanken 18-04-2021 – Schlechte Politiker und guter Hirte

Was kann man von Politikern eigentlich erwarten? Ich denke, man darf verlangen, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen und dass sie den Nutzen des Volkes mehren und Schaden von ihm wenden. Das versprechen sie bei der Amtsübernahme. Das ist ziemlich viel verlangt und manchmal ja schon zu viel. Ich komme deshalb darum zu sprechen, weil der Predigttext zum Sonntag eine ziemlich vernichtende Rede gegen unfähige Politiker ist.

Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Ich rege mich über die vermeidbaren Fehler in der Politik auf, die zum Beispiel bei der Bereitstellung der Impfungen gemacht wurden, und denke dennoch, dass unsere Politiker viel mehr richtig als falsch gemacht haben. Entscheidungen zu treffen, ist in diesen Tagen bestimmt nicht einfach.

Und anstatt voller Empörung über andere zu schimpfen, können wir für unseren Schutz vor Infektionen und vieles andere drumherum auch selbst viel tun, und das sollen wir auch, schließlich sind wir für unser Leben zunächst einmal selbst verantwortlich und haben die Freiheit, für uns zu sorgen. Ich bin jedenfalls trotz allem froh, in einem Land zu leben, das zu den reichsten und sichersten auf der Welt gehört, und wo wir Menschen frei sind und keine Angst vor den Mächtigen haben müssen. Kritisch zu sein ist immer gut, aber manche Kritik bei uns ist oft sehr billig zu haben, und hinterher weiß man alles besser und sieht die Fehler der anderen umso genauer. Das gilt nicht nur in der Corona-Politik.

In der Bibel ist da zum Beispiel der Prophet Ezechiel. Die Politiker in seinem Land, in Juda, haben hoch gepokert und verloren. Das Land ist untergegangen, und die oberen Zehntausend sind nach Babylon verschleppt. Sie haben vielleicht noch den Hit von Boney M. darüber im Ohr: „By the Rivers of Babylon“.

An den Wassern von Babylon träumten die Verbannten von der Heimkehr, und Ezechiel macht ihnen zunächst einmal klar, was falsch gelaufen ist: Gottvertrauen und Zuversicht haben gefehlt, denn die geben einem die Kraft, auch Krisen auszuhalten. Schlechte Könige hatten sie noch dazu, die sich nicht wie gute Hirten am Wohl des Volkes orientiert haben, sondern nur am eigenen Nutzen.

Und das ist bei uns heute anders, muss man deutlich sagen. Gewiss gab es auch hier ein paar Politiker, die glaubten, mit der Vermittlung von Schutzmasken Geld machen zu können, aber die wurden in unserer Demokratie gleich entlarvt und sind zurückgetreten.

Es geht in der Predigt heute deshalb nicht um Politik, sondern um Vertrauen, um Gottvertrauen, genauer gesagt, wenn man auf den Propheten Ezechiel hört: „Ich will mich meiner Herde selbst annehmen“, sagt Gott. Er ist der gute Hirte, und das ist, finde ich, ein schönes Bild für jemanden, der auf andere acht gibt, sich um andere sorgt und anderen, wenn sie auf Abwegen sind, auch einmal nachgeht.

In der Krise seiner Zeit hat der Prophet Ezechiel zum Glauben aufgefordert: „Vertraut darauf, Ihr lieben Leute, dass Gott da ist für euch wie ein guter Hirte.“ Dieser Glaube ist, denke ich, gar kein schlechter Ratgeber in Krisenzeiten. Es geht darum, Halt zu finden, wenn der Boden schwankt. Es geht auch um Nächstenliebe und Verantwortung. Es geht darum Fehler zu verzeihen und Fehler zu vermeiden. Es geht darum, bei allem was man tut, zu prüfen, ob es gut und gottgefällig ist. Es geht darum, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, sondern sich nicht unterkriegen zu lassen. Das müssen wir uns jeden Tag sagen. Und mir tut das gut.

Ezechiel zeigt da ja längst nicht mehr auf die Politiker, sondern auf sich selbst: Wem glaube ich? Und was glaube ich?

„Diese dauernde Unsicherheit macht mich verrückt“, hat mir letzte Woche jemand gesagt. Ja, wenn man nur immer vorher schon wüsste, wo es lang geht, aber das weiß nur Gott, sagt man. Vielleicht weiß das nicht einmal Gott immer so genau, weil wir ihm nur zu oft dazwischen funken. Jedenfalls ist Gott immer bei uns und sagt: Jetzt schau mal, was da eben auf dich zukommt. Hab keine Angst. Ich bin bei dir.

Das gilt nicht nur in diesen Corona-Tagen, an denen man irre werden könnte. Wir stehen immer wieder vor Entscheidungen und müssen Verantwortung übernehmen für uns und andere, und das geht, so denke ich, nicht ohne Hilfe. Wir brauchen Regeln und Ratschläge, und manche guten und grundsätzlichen finden wir in der Bibel: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst! Hab keine Angst vor der Zukunft, sondern sorge dich nur um den heutigen Tag! Und: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Und dann gibt es die schwierigen Situationen, also die, in denen wir wenig richtig und viel falsch machen können. Und manchmal gibt es auch Situationen, in denen wir gar nichts machen können, dann, wenn Corona nicht Kontaktvermeidung heißt, sondern Krankenhausaufenthalt bedeutet; Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, nicht nur wegen Covid-19. Auch immer dann, wenn wir körperlich oder psychisch am Ende sind, wenn wir verloren haben und loslassen müssen.

In solch dunklen Tagen ist es völlig egal, ob das Bild von Gott als gutem Hirten altmodisch oder kitschig wirkt oder nicht zu beweisen ist.

Dann sehne ich mich nach einem guten Hirten, nach Gott, der uns liebt und hält; nach Jesus, der uns den Weg zu einem guten, gelingenden Leben weist, und nach dem Heiligen Geist, der uns im Innersten spüren lässt, was richtig ist, und Hoffnung gibt.

Und ich bin dann einfach dankbar, wenn Gott mir Menschen schickt oder Gedanken oder einfach nur Hoffnung und ich diese Nähe Gottes spüren kann, der mein guter Hirte ist.

Predigttext am Sonntag, 18.04.2021, ist Ezechiel 34, 1-16+31 

Über mtreiber

Matthias Treiber ist Pfarrer und Journalist. Matthias Treiber is a minister in the Lutheran Church of Wuerttemberg and journalist.
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