Hier auf diesem Felsbrocken stand vor 2000 Jahren Paulus. Hier trifft das Evangelium von Jesus Christus zum ersten Mal auf die philosophisch gebildete Welt. Vorher, in Israel, da waren es eher die einfachen Leute, Bauern und Fischer, die von der Frohen Botschaft in den Bann gezogen wurden. Jetzt beschäftigten sich die Philosophen Athens mit diesem Jesus von Nazareth, der gestorben und am dritten Tag auferstanden ist. Und diese Speerspitzen des Geistes kann man eben heute noch genau lokalisieren. Sie versammelten auf dem Areopag.
„Ihr Athener,“ sagt Paulus. „Ihr seid doch offenkundig äußerst gottesfürchtige Menschen. Wo man auch hinschaut: Götterbilder, Altäre. Religiöse Symbole. Ein Altar trägt sogar die Aufschrift: „Dem unbekannten Gott.“ Könnte das nicht das sein, was uns verbindet? An die alten Götter, Zeus und Aphrodite, glaube sowieso niemand mehr. Die Philosophen haben sich längst dem Gedanken zugewandt, dass da nur eine Macht hinter allem ist. Paulus sagt auch: Ein einziger Gott ist es, der durch viele Erscheinungen der Welt und Erfahrungen der Menschen hindurch am Wirken ist. Ein einziger Gott ist es, der uns allen das Leben eingehaucht hat. Und er ist anders und größer als alles, was wir uns vorstellen können.
Für vielen Griechen und Römer war das ein überzeugender Gedanke. Ein Gott. Bei uns glaubt fast die Hälfte, 45 Prozent der Deutschen, nicht einmal mehr an einen Gott. Das klingt für den Glauben bedrohlich, aber 69 Prozent aller Jugendlichen finden es gut, dass es die christliche Kirche gibt. Das ist ein sehr guter Wert, weil hier sich auch muslimische Jugendliche und Jugendliche ohne Konfession geäußert haben, die zusammen fast ein Drittel in Deutschland ausmachen. Glaube ist nicht „out“, weltweit schon gar nicht. Nur ist inzwischen das Betonen der Unterschiede zwischen den Konfessionen lächerlich und der Streit zwischen den Religionen ärgerlich, für mich jedenfalls.
Paulus stellt sich und seinen Zuhörern die Frage: Was verbindet uns – was ist uns gemeinsam? Die Antwort hat Thomas Jefferson für Menschen jeden Glaubens in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung formuliert: „Wir halten die Wahrheit für selbstverständlich: Dass alle Menschen vom Schöpfer gleich geschaffen wurden.“
Mein Leben habe nicht ich mir gemacht – nicht einmal meine Eltern waren das. Und dass ich der geworden bin, der ich bin, das ist unverdient. Gott hat einfach Ja! zu mir gesagt.
Dieses Ja gilt – und zwar unabhängig von uns oder von anderen. Gott sagt ja zu uns – so wie wir sind. Wir wollen und dürfen nicht immer nur an dem gemessen werden, was wir haben oder was wir leisten können. Geld und Schulnoten sind nicht das Wichtigste. Gott wollte uns also genau so, wie wir sind. „Gott liebt dich, wie du bist.“ habe ich auf einem kleinen Spiegel gelesen. Immer sollte uns das daran erinnern: Gott wollte uns so wie wir sind – mit unserer großen Nase und mit unserem manchmal zu großen Mundwerk. Mit unserem schönen Gesicht und unseren ungeschickten Händen. Mit unserer tollen Begabung und mit unser andauernden Schwäche.
Deshalb sind wir allerdings auch auf etwas angewiesen, das außerhalb unser selbst liegt. Gnade nennt das die Bibel. Wir sind gebunden an einen weiten, ja sogar einen absoluten Sinnzusammenhang, in den wir unsere Existenz inmitten dieser Welt hinein gestellt wissen. Wir brauchen von da her auch Orientierung in den gewichtigen Fragen des Lebens. Rückbindung an Werte, die wir uns nicht selber geben können – weil wir sonst gnadenlos uns selbst überlassen sind – und dem Urteil anderer natürlich auch.
Aber hier können wir genau unser Selbstbewusstsein bekommen, wenn wir uns immer sagen lassen können: Gott liebt dich, wie du bist. Er sagt Ja zu Dir. Und ich denke, genau deshalb suchen wir Gott, suchen die Gewissheit, dass doch alles irgendwie in Ordnung ist – und dass wir mit aller Unordnung umgehen können. Wir waren schwach, wir haben versagt, sind erfolglos – na und, sagt Gott. Morgen ist ein neuer Tag – hab Vertrauen. Das ist schon okay so. Und das Chaos, all das, was uns das Leben schwer macht. Manchmal ist es nur ärgerlich, doch manchmal auch lebensbedrohlich. Hab keine Angst, sagt Gott, ich bin mit Dir.
Meine Gedanken sind zur Zeit oft im Krankenhaus. Vor zwei Jahren hatte ich dort eine lebensrettende Operation. Ein Wunder für mich, dass man den Tumor entdeckt hatte und auch noch so gut entfernen konnte. Was soll ich sagen? Gott war mit mir in diesen Tagen, so schwer sie auch waren. Der unbekannte Gott hat sich gezeigt in seinem Ja zum Leben. Christus ist auferstanden, und ich bin gerettet worden.
Und dann stellt er eine Forderung: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“ Streitet nicht um Worte, sondern handelt in Liebe! Bei meinen Gedanken ans Krankenhaus heißt das in dieser Corona-Zeit: Unterstützt all die barmherzigen Samariter, die in den Krankenhäusern pflegen und heilen, indem hier direkte Kontakte vermeidet.
Und wie immer sagt Jesus zu uns: Seid für andere da! Nehmt Rücksicht! Sorgt für Ihren Schutz Denn Gott sorgt für uns und liebt uns. Jeden Einzelnen.
Predigttext am Sonntag, 25. April 2021, ist Apostelgeschichte 17, 22-34